Werbewert: das missverstandene Maß

Vor ein paar Tagen fand in Österreich der Eurovision Song Contest 2015 statt. Wenig überraschend tauchen mittlerweile die ersten Berichte über den hohen Werbewert dieser Veranstaltung auf. Grund genug, einen kurzen Blick auf diesen Begriff bzw. das dahinter stehende Konzept zu werfen. 

Werbewert

Wenig Budget zur Evaluation

Kommunikationsabteilungen haben in der Regel klar vorgegebene Budgets. Diese bewegen sich meist in einem Rahmen, der sich an der Umsetzung der geplanten Maßnahmen orientiert. Eine seriöse, qualitative wie auch quantitative Evaluation wird dabei selten berücksichtigt.

So bleibt vielen Abteilungen in Unternehmen nach Umsetzung der geplanten Maßnahmen wenig Budget übrig, um deren Zielerreichung zu messen und zu bewerten. Dennoch erwarten sich die Vorgesetzten einen Beleg für den Erfolg dieser Maßnahmen.

 

Meinungen, Einstellungen & Verhaltensweisen

Neben der Information der Stakeholder geht es im Kommunikationsmanagement bzw. der Öffentlichkeitsarbeit vor allem um die Beibehaltung, Verstärkung oder Veränderung der Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen von Stakeholdern.

Die damit verbundenen Zielsetzungen müssen qualitativ untersucht und bewertet werden, d.h. sie lassen sich nicht ohne weiteres an Zahlen festmachen. Es bedarf vielmehr durchdachter Evaluierungsmethoden, die jedoch zeitlich wie finanziell große Ressourcen erfordern und daher für viele Abteilungen nicht in Frage kommen.

 

Werbewert bzw. Anzeigen-Äquivalent

Um der so entstehenden Spannungssituation zu entkommen, wird oft der sog. „Werbewert“ [1] bzw. das „Anzeigen-Äquivalent“ bemüht. Dies bedeutet, dass die mediale Berichterstattung erhoben und zusammengezählt wird. Im Printbereich werden die Quadratzentimeter der Berichterstattung gemessen, im Rundfunk die Sekunden der Sendezeit und im Internet die Länge der Beiträge.

Die so gesammelten Ergebnisse werden anschließend anhand einer Anzeigenpreisliste in oftmals beeindruckende Summen umgerechnet. So soll belegt werden, was dieselbe Berichterstattung gekostet hätte, wenn sie nicht in Reaktion auf Öffentlichkeitsarbeit entstanden wäre, sondern als klassische Werbung hätte gebucht werden müssen.

 

Kein Bezug zur inhaltlichen Qualität der Berichterstattung

So beeindruckend die so errechneten Zahlen auch sein mögen, so „wertlos“ sind sie im wahrsten Sinn des Wortes. Sie berücksichtigen nämlich nicht die inhaltliche Qualität der Berichterstattung. Ist diese positiv oder neutral im Ton, mag das Ergebnis durchaus ein Indikator (keinesfalls aber ein Beleg!) für den Erfolg der Arbeit sein. Was aber, wenn die Berichterstattung negativ ist?

Ein Unternehmen, das z.B. nach einer von ihm verursachten Umweltkatastrophe in den internationalen Medien geprügelt wird, wird einen fantastischen Werbewert erreichen. Der Reputation des Unternehmens wird diese Berichterstattung jedoch alles andere als zuträglich sein. Anders ausgedrückt: Welches Unternehmen würde hohe Summen ausgeben, um eine negative Berichterstattung und eine nachhaltige Beschädigung der Reputation sicherzustellen?

 

Werbewert kritisch hinterfragen

Wenn Sie also das nächste Mal von dem tollen Werbewert einer Veranstaltung oder Maßnahme hören, hinterfragen Sie diesen! Versuchen Sie Informationen über die verwendete Methodik zu gewinnen und bewerten Sie diese kritisch.

Sollten Sie Einfluss auf das Budget einer Kommunikationsabteilung haben: stellen Sie Mittel für eine seriöse Evaluation der gesetzten Maßnahmen zur Verfügung. Die eingesetzten Mittel werden durch die daraus resultierende Qualität der Öffentlichkeitsarbeit mehr als wettgemacht werden.

 

 

[1] Mit dem Begriff „Werbewert“ werden immer wieder komplexere und damit auch seriösere Verfahren zur Bewertung des Erfolges von Kommunikationsmaßnahmen bezeichnet. Diese Verfahren sind im Kontext dieses Beitrages ausdrücklich nicht gemeint.